Die gegenwärtige Tanzszene ist mit einer Vielzahl von künstlerischen, theoretischen und historischen Wissensproduktionen befasst. Diese beziehen sich (mit einem noch immer kanonisierten und deshalb vorrangig narrativierten Forschungsverständnis) auf einen, wenn auch inzwischen als limitiert erkannten Archiv- und Technikbegriff. Versuche, das „Archiv“ (mit seinen vermeintlich dauerhaften Dokumenten) bzw. die „Technik“ (mit ihren normativen Qualitäten) durch die Befassung mit dem a-materialen „Repertoire“ (als Reservoir verkörperter Praktiken oder verkörperten Wissens) zu erweitern, erregen zwar Wahrnehmungs-theoretische Aufmerksamkeit, jedoch erweist sich die Übersetzung dieser Aufmerksamkeit in methodologisch überzeugende Verfahren als problematisch – wohl weil es keine verbindlichen Strategien gibt (oder geben kann?), wie sich das dazu notwendige Praxiswissen, d.h. hier vor allem: das Tänzer*innen-/Performer*innenwissen, integrieren oder gar diskursivieren ließe.
In diesem Zusammenhang wäre zu diskutieren, welche methodologische Rolle eine tänzerisch/performativ verstandene Intermedialität spielt, die die archivierten Daten sowie die normierten Tanztechniken als Medien, als vom Körper distanzierte, entfremdete Informationen akzeptiert, sie miteinander kombiniert, sie transformiert, überformt oder als Referenzsysteme verwendet. Und so als getanzte Partitur die immaterielle Lücke, den Durchgang/Übergang zum Körper ereignishaft re-materialisiert.
Im Atelier richten deshalb Produzierende und Rezipierende von Tanzwissen ihre Blicke/Verkörperungen auf „choreographische Praxen“, d.h. auf den immer tänzerisch gefilterten mobilen, dynamischen Umgang mit Archiven, Repertoires und Performances, indem sie diese als intermedial verwendbare „scores“ identifizieren.
Die in den einzelnen Ateliers thematisierten Intermedialitäten stellen selektive Beispiele dar: Sie verhandeln die Geschichte des Tastsinns (Karin Harrasser) ebenso wie das Spektrum von Bewegungserfahrungen durch die Kinetographie Laban (Noëlle Simonet); sie machen die komplexen Handlungsverflechtungen während Probenprozessen deutlich (Katarina Kleinschmidt) und sie isolieren choreographische Strategien – in Laboratorien (Johannes Randolf) und bei der Verfertigung spezifischer Performances (Rose Breuss). Der Einfluss kulturgeographischer Kontexte auf intermediale Verfahren, Texte und Filme steht im Mittelpunkt alternativer Tanzgeschichten aus dem beginnenden 20. Jahrhundert (Gunhild Oberzaucher-Schüller und Kristina Köhler) in Europa sowie in der aktuellen exemplarischen Materialisierung japanischer Körper in Mode (Jörg Wiesel) und Tanz (Romina Achatz).
Rose Breuss und Claudia Jeschke
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